Die Rheingauer
Suffbiene
Zu
den sympathischen Seiten des Rheingaus, der beschaulichen Weingegend am Ufer
des Rheines, gehören die vielen kleinen Weinstände, die man
überall an schönen Plätzen, meist unter großen, Schatten
spendenden Bäumen findet. So ein Weinstand säumte auch den Weg, den
ich abends, nach getaner Arbeit vom Bahnhof nach Hause zurücklegen musste.
An
einem schönen lauen Sommerabend, erschöpft nach des Tages Mühe, beschloss ich, mich
an diesen Stand zu setzen, um den langen Tag angenehm ausklingen zu lassen.
Ich
holte mir am Stand einen guten Rheingauer Tropfen von
einem der einheimischen Winzer und setzte mich an einen Tisch, an dem schon ein
älterer Herr im Rentenalter saß. Wie im Rheingau so üblich,
entwickelte sich sehr schnell ein lockeres Gespräch über das Wetter,
die vorbeikommenden Passanten und Autos.
Plötzlich
näherte sich eine große Biene dem Weinglas meines Tischnachbarn.
Neugierig kreiste sie um sein Glas, setzte sich dann auf den Rand und kletterte
vorsichtig zu dem köstlichen Nass. Das Glas war noch fast voll, so dass
die Biene sehr schnell ihren Rüssel in den Wein tauchen konnte, um zu
probieren, ob er ihr munde.
Anscheinend
schien dies der Fall zu sein, denn nach einem kurzen Rückzug zum oberen
Rand, krabbelte sie wieder nach unten, um einen erneuten Schluck zu nehmen.
Mein
Nachbar reagierte sehr verärgert:
„Wie
krieg ich denn diese dumme Biene da weg. Wenn sie so weiter macht, wird sie
betrunken sein, und in den Wein fallen?“
Er
kramte in seiner Hosentasche und zog seinen Schlüssel heraus.
Ich
lachte amüsiert: „Ich hab gar nicht gewusst, dass Bienen auch Wein
trinken. Das scheint wohl ein einheimisches Exemplar zu sein.“
„Tja“,
meinte mein Nachbar, „die wissen auch, was gut ist. Trotzdem ärgert
sie mich.“
Ich
beobachtete die Biene, die gerade genug getrunken zu haben schien, und wieder
hinauf zum Glasrand kletterte: „Lass das mal
besser mit dem Schlüssel. Sie scheint gerade genug getrunken zu haben. Und
wenn du sie jetzt scheuchst, wird sie aggressiv und dich stechen.“
„Da
hast du recht, vor allem, da sie recht groß ist. Hab selten so eine
große Biene gesehen.“
„Das
ist vielleicht eine Bienenkönigin, die sich vor der Hochzeitsnacht noch
etwas Mut antrinken will. Und da sie von der Drosselgasse gehört hat, ist
sie hierher gekommen.“
„Wie
kommst du denn jetzt da drauf?“
„Naja,
wie die Mädels, die ich öfters im Zug nach Rüdesheim sehe, die
uns so nützliche Dinge wie Präservative, Schnäpschen und Mini
– BH’s verkaufen wollen, um sich einen
letzten Jungesellinnenabend in der Drosselgasse zu
bezahlen.“
Mein
Nachbar guckte verdutzt:, dann lachte er: „Du
hast Ideen!“
Die
Biene krabbelte am Glasrand entlang, spreizte die
Flügel und flog einige Male um das Glas. Jedoch schien ihr das
köstliche Nass sehr gut geschmeckt zu haben, da sie sich wieder auf dem Glasrand
niederließ und vorsichtig nach unten kletterte, um noch einen Schluck zu
nehmen.
„Ist
die denn blöd?“, fragte ich überrascht, „die besäuft
sich ja richtig.“
„Ja,
Bienen mögen Alkohol, deshalb fängt man sie ja auch oft damit.“
„Na,
das wird dann Rheingauer Bienenhonig mit Promille
geben. Bin ja mal gespannt, wie lange sie noch fliegt.“
„Ich
jag die jetzt weg!“
„Nö,
lass mal, das interessiert mich jetzt.“
Inzwischen
war die Biene wieder auf den Rand geklettert, zog eine Runde auf dem Glasrand, zögerte, und krabbelte wieder nach unten, um
einen weiteren Schluck zu nehmen. Dieser war dann der Schluck, der den
Ausschlag gab: Sie rutschte ab, und fiel in den Wein. Verzweifelt zappelte sie
mit ihren Beinen, um wieder heraus zu kommen. Nun war der große Moment
von meinem Tischnachbarn gekommen: Er hielt jetzt seinen Schlüssel ins
Glas. Die Biene ergriff sofort den rettenden Anker, krabbelte ins Trockene,
schüttelte die Flügel und schoss, ohne noch einmal einen Blick
zurück zu werfen, in den blauen Abendhimmel.
Wir
lachten und mein Nachbar meinte: „Jetzt kann ich endlich wieder meinen
Wein alleine trinken.“
„Na,
denn Prost!“, antwortete ich, „Und du bist zumindest nicht
gestochen worden.“